Mit dem Rollstuhl durch Bergen und sind wir nicht alle ein bisschen verrückt?
– Bericht & Fotos: Fr. Kupke –
Innerhalb der Projektwoche Folgen fürs Leben setzten sich die Schüler/-innen der 10.Klassen mit verschiedenen Aspekten eines Lebens mit Einschränkungen auseinander. Zum einen verbanden die Jugendlichen die Paraolympischen Spiele mit dem Fach Englisch oder den Umgang mit körperlicher und geistiger Behinderung während des Nationalsozialismus mit Geschichte.
Zum anderen mussten sich die Mädchen und Jungen auch aktiv mit der Situation eines Lebens im Rollstuhl vertraut machen. Erneut standen uns für diesen Teil des Projektes die Mitstreiter vom Behinderten- und Rehabilitationssportverband M-V e.V., Frau Sonja Bade, Dirk Schadek und Danilo Seutter von „Die Aufklärer“ zur Seite (mehr Infos findest du hier). Gemeinsam mit ihnen fuhren die Schüler in Rollstühlen durch die Stadt Bergen und sammelten vielfältige Erfahrung eines Alltages mit der intensiven Einschränkung.
Das Vorwärtskommen war viel schwerer als gedacht, viel zeitintensiver und mühseliger. Statt 14 Minuten, was für einen Fußgänger als Zeit für das Erreichen des Marktes vorgegeben wird, sind es eben einmal gefühlt 2 Stunden, die man benötigt, um die Dammstraße nach oben zu gelangen. Und die Arme werden immer schwächer.
Dass das Einkaufen komplizierter wird, weil nicht alle Waren in Greifhöhe standen, wurde von den Schüler/-innen schon erwartet. Dass es mit Einkauf auf dem Schoß aber auch schwierig wird, heruntergefallene Gegenstände aufzuheben oder überhaupt mit dem Rolli weiterzufahren, hatten die Jugendlichen vorher so nicht geahnt.
Bei der Post kommt ein Rollstuhlfahrer gar nicht rein, sondern klingelt die Verkaufskraft heraus. Da freut man sich, wenn keine weitere Kundschaft bedient werden will oder es nicht regnet oder stürmt. Auch das Bedienen der Packstation am Busbahnhof ist für Rollstuhlfahrer erschwert. Das Display ist aus der Perspektive eines Rollstuhlfahrers kaum lesbar.
Das Einsteigen in einen Zug ist ohne fremde Hilfe in Bergen kaum möglich. Dass Rollstuhlfahrer sich dafür auch noch vorher wochenlang anmelden müssen, war für uns Fußgänger kaum nachvollziehbar. Spontanes Reisen ist nicht möglich.
Unzählige Kanten, lose Steine, Sand oder Fugen machten ein Vorwärtskommen im Rollstuhl zum Kraftakt und brachten die Schüler/-innen schon einmal an den Rand der Verzweiflung.
Muskelkater in den Armen, Blasen an den Händen und vor allem die Dankbarkeit, nach den guten 2 Stunden im Rollstuhl wieder aufstehen und laufen zu können, wirken nachhaltig bei den Jugendlichen. Hoffentlich bleibt dies ein Leben lang.
An dieser Stelle ein ganz großes Dankeschön an Frau Bade, Herrn Schadek und Herrn Seutter für ihre Bereitschaft, diesen Projekttag mit den Schülern zu gestalten.
Genauso geht ein Dankeschön an die Verkäuferinnen von Rewe, dem Netto beim Busbahnhof und Norma, sowie von der Post und dem Lokführer der Pressnitztalbahn mbH für ihre Freundlichkeit und Auskunftsbereitschaft gegenüber den Schüler/-innen an ihrem Projekttag.
Einen weiteren Höhepunkt in der Projektwoche hatten die Schüler/-innen der 10.Klassen bei einem Projekttag „Verrückt? – Na und!“.
Herr Jachmann vom Chamäleon Stralsund e.V. kam zusammen mit Frau Karina zu uns in die Schule, um sehr kurzweilig und seeeehr intensiv mit den Jugendlichen über viele Facetten von seelischer Not ins Gespräch zu kommen. In einer sehr angenehmen Atmosphäre gelang es den Beiden, den Schüler/-innen viele Denkanstöße zu geben. Dieser Projekttag ist unbedingt weiterzuempfehlen (robin.jachmann@chamaeleon-stralsund.de).